Die Copyplattform ist voll mit verwirrenden, unlogischen und sich widersprechenden Begriffen. Und weil kaum einer genau weiss, was denn eigentlich eine Copyplattform ist, geht man lieber auf Nummer sicher und sammelt unter diesem Begriff alles ein, was auch nur irgendwie schon mal woanders genannt worden ist. Dabei kommt dann eine Checkliste raus, die keiner mehr genau erklären kann und die nur für Verwirrung sorgt.
Angefangen von Hauptnutzen über Nebennutzen bis hin zu Zusatznutzen und Reason why. Und noch vielen anderen. Acht bis 10 Schlagworte sind keine Seltenheit in Lehrbüchern – und jedes davon sollte man im Rahmen einer Fallstudienlösung mit sinnvollem Inhalt füllen. Man braucht kein Genie zu sein, um blitzartig zu erkennen, dass das gar nicht möglich ist. Nochmals: Es ist nicht möglich. Weder theoretisch noch praktisch. Und absoluter Schwachsinn ist es noch dazu.
Mal ne kurze Frage: was lernt man im Marketing: Fokussierung, Positionierung! Klasse. Und warum Gopfridstutz sollten wir 10 unterschiedliche Nutzen für ein und das selbe Produkt für ein und die selbe Zielgruppe aufschreiben. Super Fokussierung. Super Positionierung. Ganz grosses Kino! Alles Deppen!
Und bevor jetzt gleich jemand losheult: „Ja aber wenn ich nicht überall was schreibe, dann bekomme ich weniger Punkte…“ Wer überall einen Blödsinn schreibt bekommt auch keine Punkte, braucht aber Zeit und überhaupt: Bisschen denken und ein bisschen Selbstbewusstsein… wer sinnlosen Checklisten hinterherhechelt kommt nur ins Schwitzen, aber ganz sicher nicht zum Erfolg.
Warum heisst das eigentlich Copyplattform?
Ist ne ganz alte Geschichte. Damals im Jahr der jungen Steine, also vor etwa 30-40 Jahren hat man noch von Hand und mit Hirn gearbeitet. Und um das ganze Werbe-Konstrukt (was in seinen Begrifflichkeiten ja auch ziemlich alt ist) in eine einigermassen nachvollziehbare Struktur zu bringen, hat man die Werbung – wir sprechen heute von Werbekonzept – dreigeteilt. Drei ist immer gut: drei heilige Könige, Dreifaltigkeit, in drei Teufels Namen… dann halt auch drei Werbebereiche. Weil diese drei Bereiche jeweils den Ausgangspunkt für weitere Massnahmen darstellen, hat man diese Bereiche Plattformen genannt. Man hätte sie auch irgendwie nennen können – hat man aber nicht, und nun nennt man sie halt Plattformen.
- Plattform 1 (oder Ausgangs-Punkt 1): Die Werbeplattform
- Plattform 2: Die Copyplattform
- Plattform 3: Die Mediaplattform
Copy heisst es deshalb, weil in diesem Bereich konkret ausgeführt wird, WIE die Werbung schlussendlich aussieht, welche Botschaften übermittelt werden etc. – es handelt sich also hier um den qualitativen Teil des Werbekonzeptes, den Umsetzungsteil, den kreativen Teil – nennt es wie Ihr wollt.
Übrigens sind weder die Begriffe Plattformen, noch die Einteilung derselben „genormt“ – einige Sprechen deshalb von zwei Plattformen und nennen die erste davon Werbeplattform (inkludieren aber den kreativen Teil darin), andere nennen die Copyplattform Kreativstrategie oder Kreativansatz, Wieder andere sprechen von Copy Strategie, aber von Werbeplattform und so weiter. Es ist ein schreckliches Durcheinander.
Darüber braucht sich aber niemand aufregen, denn erstens lässt es sich sowieso nicht ändern und zweitens ist das in allen Bereichen so – immer wieder heissen die gleichen Dinge anders. Und sind doch die gleichen.
Wer sich schon über das sprachliche Chaos im Marketing aufregt, der sollte lieber nicht Önologie studieren: Die Weintraube Pinot noir ist auch bekannt unter den Namen Spätburgunder, Blauburgunder, Schwarzburgunder, Pinot nero, Blauer Burgunder, Clevner. Und ist doch immer die Gleiche – also: einmal tief durchatmen und abregen.
Zwischen Pseudo-Weinkennern und Marketing-Klugscheissern besteht übrigens manchmal eine straff positive Korrelation – vielleicht ist es aber auch nur eine Scheinkausalität.
Ein paar Beispiele
Hier ein paar Varianten – bewusst ohne Quellenangabe – es geht nicht darum, sich über irgendwas oder irgendwen lustig zu machen (das mache ich an anderen Orten), sondern darum aufzuzeigen, welche Varianten der Copyplattform in verschiedenen Marketing-Lehrmitteln so durch die Gegend schwirren. Die Copyplattform beinhaltet also im:
Beispiel 1
Haupt- und Nebenbotschaft, Produktenutzen, Konsumentennutzen, Reason Why, Psychologische Achse, USP/UAP, Gestaltungskonzept visuell und verbal, Tonalität/Stil, Positionierung = 11 Punkte
Beispiel 2
Leitidee, Hauptbotschaft, Nebenbotschaften, Consumer und Product Benefit, USP und UAP, Reason Why, Psychologische Achse = 9 Punkte
Beispiel 3
Strategieansatz, Hauptbotschaft, Kommunikative Leitidee, Nebenbotschaft, Kernaussagen, Psychologische Achse, Consumer Benefit, Product Benefit, Reason Why, Zusatzmotivation, Tonalität und Stil = 12 Punkte
Beispiel 4
Strategischer Ansatz, Hauptbotschaft, Nebenbotschaft, USP / UAP, Produktenutzen, Kundennutzen, Reason Why, Psychologische Achse, Zusatzmotivation, Tonalität / Stil = 10 Punkte
You see… öfter mal was Neues. Und natürlich behauptet jeder, er hätte die allein seelig machende Version. Kleiner Trost: Hat er nicht – hab ich auch nicht, aber ich habe einen Vorschlag: Selber denken. Und vor allem sich nicht sklavisch an irgendwelche Vorgaben halten, sondern die Liste der Kriterien situativ der Fragestellung anpassen.
Ich liefere hier auch noch einen Alternativvorschlag mit, der genauso wenig das Mass aller Dinge ist, wie alle anderen – aber wenigstens erkläre ich, warum ich bestimmte Begriffe gleich mal aussen vor lasse. Fangen wir also an – mit irgend einem Produkt.
Ich will mit der Copyplattform also die Grundlage schaffen für die kreative (nennen wir es: qualitative) Arbeit – oder anders gesagt: Das was ich hier in der Copyplattform erarbeite ist der Job eines Werbeberaters – oder halt eines Marketingmenschen, mir egal. Aber jedenfalls ist es der Job für jemanden, der die Grundlage schaffen muss, auf welcher danach eine Agentur eine kreative Lösung vorschlägt. Klar?
Darum folgende Überlegung
- Strategieansatz / strategische Überlegungen
Hier beschreibe ich mal alles, was schon feststeht: Welches Produkt, welche Situation – aber vor allem beschreibe ich hier, was ich mir für Überlegungen gemacht habe, strategischer Art: Welche Marketingstrategie steckt dahinter? Welche Marktbearbeitungssstrategie? Konkurrenz? Me-Too? Irgend eine andere? Brauchen wir eine Breitenwirkung oder eher eine Tiefenwirkung – machen wir bekannt oder müssen wir informieren oder sogar Einstellungen verändern? Einzelmarkenstrategie? Dachmarkenstrategie? Neues Produkt, relaunch? All das sind strategische Informationen, die wichtig sind. Hier gehören sie hin. - Hauptbotschaft / Kundennutzen / BCB, wie auch immer
Was ist das Allerwichtigste, das ich meinem Kunden verklickern will – welche Information, welche Aussage wird mein Kunde als die wichtigste empfinden, womit verschaffe ich ihm einen wirklichen Nutzen, einen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz. Womit mache ich den Kunden scharf auf mein Produkt – was ist der „haben-wollen“-Trigger? - Zusatznutzen / Nebennutzen / Nebenbotschaft
Nehmen wir mal an, unser Produkt steht nicht ganz alleine auf weiter Flur und nehmen wir weiter an, unsere Hauptbotschaft ist nicht soooo stark, dass sie einen zwingenden Kaufimpuls beim Kunden auslöst (Das ist übrigens der Normalfall!). Welche Argumente, welche Vorteile kann ich unseren Kunden noch schmackhaft machen, damit die Entscheidung zugunsten meines Produktes ausschlagen wird. Welche zusätzlichen Vorteile hat der Kunde, wenn er unser Produkt kauft? Und welche? Das können auch erweiterte Dienstleistungen rund ums Produkt sein. - Reason why / Beweisführung
Weil Kaufentscheidungen in den allermeisten Fällen subjektiv gefällt werden, aber objektiv verargumentiert werden liefere ich hier eine pseudo-objektive Beweisführung nach: Hohe Kundenzufriedenheit, Rückgaberecht, ökologische Sinnhaftigkeit, Garantieleistungen – irgendwas. Vorsicht: Diese Punkte sind für die Zielgruppe gedacht, sie sind also so zu formulieren, dass sie für die Zielgruppe den Anschein von rationalen und objektiven Kriterien haben. - Psychologische Achse
Welche Bedürfnisse, Ängste, Motivationen meiner Kunden will ich ansprechen? Hier nehme ich Bezug auf die psychographischen Merkmale. Hier formuliere ich, welche psychologischen Ausprägungen meiner Zielgruppe ich nutzen will und wo ich das „Einfallstor“ in das Mindset meiner Zielgruppe sehe. - Stil und Tonalität
Hier lege ich fest, ob ich eher erklärend, motivierend, provozierend, Sicherheit vermittelnd, per Du oder Sie, aggressiv oder Vertrauen erweckend kommunizieren möchte. Ich kann hier festlegen, ob ich besonderen Wert auf viel Text oder einen hohen Bildanteil lege, ob eine Produkteerklärung notwendig ist, oder ob eine rein emotionale Kommunikation gewünscht ist.
Das wars. Warum soll ich einen USP oder UAP erwähnen? Erstens gibt es meistens keinen (USP schon gar nicht) und wenn, dann ist er so wichtig, dass er im stategischen Ansatz genannt werden muss – denn ein USP hat einen direkten Einfluss auf die Kommunikationsstrategie. Was brauch ich noch mehr Zusatzmotivationen? Das können hier schon zwei, drei oder mehr sein – aber noch einen Punkt? Ich denke gar nicht dran.
Leitidee? Ja Himmel – was ist das denn anderes als entweder der strategische Ansatz oder die Hauptbotschaft? Eben! Produktenutzen? Soll ich ernsthaft erklären, dass der Nutzen eines Staubsaugers darin liegt, dass er Staub saugt? Product Benefit? Warum? Das wäre ja der Produktenutzen. Mich interessieren aber die Nutzen, die der Kunde hat.
6 Punkte – die aber ausführlich und detailliert, fallbezogen und sinnvoll. Abgestimmt auf die Zielgruppenbeschreibung und auf die Ziele, umsetzbar in Massnahmen und Budget – dann klappts auch mit der Copyplattform.