Der USP! Permanenter Streitpunkt während Marketing-Ausbildungen und konstanter Unsicherheitsfaktor in Prüfungen. Was zum Teufel ist eigentlich ein USP? Was ist ein „einzigartiger Verkaufsvorteil“? Und: Was ist es nicht? Und warum nicht? Und überhaupt – Fragen über Fragen. Hier ein Beitrag zur Klärung oder zumindest dazu, sich selber einige Gedanken darüber zu machen um nicht blind und taub jeder noch so abstrusen Definition nachzuhecheln.
Ein Blick zurück
Wir befinden uns im Jahre 1940 in Amerika. Rosser Reeves, seines Zeichens amerikanischer Werbepionier hat einen Geistesblitz und formuliert zum ersten Mal den Begriff „Unique Selling Proposition“ als einzigartiges Verkaufsversprechen im Rahmen der Werbung für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Diese Einzigartigkeit, so Reeves, diene dazu, eine Eigenschaft eines Produktes im Verkauf so herauszustellen, dass dieses sich von der Konkurrenz abhebe und von der Zielgruppe aufgrund eben dieses Alleinstellungsmerkmals schlussendlich gekauft werde.
Klingelts? 1940? Das ist fast 80 Jahre her! Was war denn damals mit dem Markt los? Richtig: in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts fing der Markt in den USA (und woanders auch) erst grade an zu wachsen. Der Markt entwickelte sich erstmals so, dass konkurrierende Produkte erhältlich waren, Markenartikel im eigentlichen Sinne entstanden genau um diese Zeit (vor allem im Konsumgüterbereich). Die Situation, sich mit seinem Produkt von einem anderen, ähnlichen oder gleichen, abzuheben, war also neu. Es entwickelte sich zunehmend ein Käufermarkt, die Nachfrage wuchs und zog entsprechend verschiedene Anbieter sehr ähnlicher Produkte nach sich. Zum ersten Mal war es also notwendig, dem Konsumenten nicht mehr nur ein Produkt zu verkaufen, sondern ein ganz bestimmtes Produkt. Und zum ersten Mal wurde es notwendig, sich gegenüber anderen Herstellern abzuheben. DAS war die Geburtsstunde des USP’s.
USP heißt „selling proposition“
Es gibt schon einen Grund, warum der USP so heißt: Er definiert nämlich einen VERKAUFS-Vorteil. Einen Vorteil also, der beim Konsumenten den Kaufwunsch bzw. die Kaufentscheidung positiv beeinflussen kann. Und Verkauf ist? Richtig! Kommunikation im weitesten Sinne. Der USP ist also KEIN einzigartiger Produktevorteil, und schon gar nicht hat er irgendwas mit einem Patent oder etwas ähnlichem zu tun. Er ist – und war es schon immer – ein Vorteil, der im Kauf, also in der Kommunikation, herausgehoben wird. Das KANN etwas Besonderes am Produkt sein, muss aber nicht. Es MUSS aber etwas sein, das für den Käufer wichtig ist – ergo ist der USP zielgruppenabhängig.
Wilde Gerüchte um den USP
Über den armen USP hört man so vieles, was ihm nicht gerecht wird:
- Der USP ist ein einzigartiger Produktevorteil Blödsinn! Dann hieße der USP nämlich UPP („unique product proposition“). Ein Produktevorteil KANN auch ein Verkaufsvorteil sein, muss es aber noch lange nicht.
- Ein USP zeigt sich zum Beispiel darin, dass man ihn patentieren kann! Vollkommener Quatsch! Mercedes hat – unter anderem – für die neue C-Klasse ein Patent eingereicht welches die Dichtungslippe der Heckscheibe betrifft. Diese ist nämlich so gestaltet, dass die Scheibe bei Regen weniger verschmutzt. Das IST ein Patent, aber glauben Sie wirklich, dass das auch ein Verkaufsvorteil ist? „Kaufen Sie den Mercedes, weil: der hat eine total coole Gummidichtung um die Heckscheibe. Hat sonst keiner!“
- Ein USP ist unabhängig von der Zielgruppe. Eben nicht! Genau das Gegenteil ist der Fall! Ein USP ist zwingend an eine Zielgruppe gerichtet. Ich will ja genau diese Zielgruppe von meinem Produkt überzeugen und sie davon abhalten, das der Konkurrenz zu kaufen. Ergo MUSS der USP auf die Zielgruppe ausgerichtet sein.
- Der USP ist ein faktischer Vorteil, der nur dieses Produkt hat. Genau so falsch. Nochmals: Es heißt „unique selling proposition“ und nicht „unique product proposition“. Siehe Mercedes. Wer den USP mit einem faktischen Produktevorteil gleichsetzt befindet sich tief im produkteorientieren Denken verhaftet, sprich im produkteorientierten Marketing. Und dessen Zeit ist längst abgelaufen.
Warum tun wir uns mit dem USP so schwer?
Weil es eine uralte Bezeichnung ist, die in einer Marktsituation entstanden ist, die wir heute schon lange nicht mehr haben. Und weil sich kaum jemand darum kümmert sondern permanent nur einfach alte Definitionen übernimmt – und zwar ohne die ursprüngliche jemals gelesen, geschweige denn analysiert zu haben.
Alternativen?
Gäbe es durchaus, die haben sich nur noch nicht durchgesetzt – wenigstens nicht bei Prüfungen, Prüfungsexperten und Fallautoren. In der Praxis schon. Eine Möglichkeit besteht darin, als übergeordneten Begriff den „Unique Marketing Proposition“ zu definieren. Der würde beschreiben, welcher übergeordnete Vorteil ein Produkt für eine Zielgruppe hat. Daraus abgeleitet werden könnte – schön passend für den Marketing-Mix – der UCP (Unique Communication Proposition für die Kommunikation), der UDC (Unique Distribution Proposition für die Distribution), und der UPC (Unique Price Proposition für die Preisgestaltung). Darunter könnten dann weitere Punkte für die Instrumente folgen: UAP (Werbung), USP (Verkauf), UPP (Promotion) etc.
Macht nur keiner. Noch nicht.
Ohne Beispiele geht’s nicht
Um zu verdeutlichen, welcher Schindluder mit dem USP getrieben wird, hier ein paar Beispiele. Wie immer willkürlich und durchaus auch etwas überspitzt – dafür aber aus allen Bereichen.
- „Dieses Auto verbraucht nur 3 Liter Benzin auf 100km!“
Schön! Nehmen wir mal an, das wäre das einzige Auto, das mit so wenig Benzin auskommt. Also ein „faktischer Vorteil“. Ist es deswegen ein USP? Nicht zwingend! Nur dann, wenn der niedrige Verbrauch für die Zielgruppe auch ein kauf-mitentscheidendes Kriterium ist. Wer sich einen Dreck um Verbrauch, Umwelt und Kosten schert, dem ist auch piepschnurzegal, was seine Kiste so verbraucht. Und sogar wer sich gerne nur mit Bio-Produkte ernährt und auch sonst nachhaltig denkt: Wenn diese Person (Stichwort: hybrider Konsument) daneben ein Auto-Freak ist, dann gehen ihm die 3 Liter auch am verlängerten Rücken vorbei. Ergo: Es KANN ein USP sein, ob es einer ist, hängt aber von der Zielgruppe ab.