Stichprobe

Die Stichprobe! Ein Begriff, der einem bei der Marktforschung tagtäglich begegnet und der oberflächlich betrachtet auch gar nicht so kompliziert zu verstehen ist. Aber wie immer gilt: ganz einfache, oberflächliche Antworten wie zum Beispiel: „Die Stichprobe ist ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit“ sind selten ganz falsch aber genau so selten ganz wahr. Um wirklich zu verstehen, was eine Stichprobe ist, bedarf es ein bisschen mehr als nur einer dahingerotzten Definition.

Herkunft

Den Begriff „Stichprobe“ gab es schon, als es noch gar kein richtiges Marketing gab: Die Metallgießer nahmen (und tun es noch heute) vor dem Guß des Metalls mit einer Art Rohr eine Probe des flüssigen Metalls, um anhand dieses kleinen Teiles zu beurteilen, ob der Rest (der große Teil) den Anforderungen entspricht. Der kleine Teil Metall lässt sich viel leichter und schneller analysieren, er wird schneller kalt, er ist handlicher und ausserdem ist er – weil er ja aus dem gesamten Metall stammt – wenn nicht identisch so doch ausgesprochen ähnlich zusammen gesetzt wie die Gesamtmenge, um die es schlussendlich geht.

Von der Idee her ist das genau das Gleiche, was eine Stichprobe für die Marktforschung (oder eben das Marketing) bedeutet: Sie ist ein Teil einer gesamten Menge (wir nennen diese gesamte Menge -> Grundgesamtheit) und wurde nach bestimmten Gesichtspunkten bestimmt oder ausgewählt.

Wofür eine Stichprobe?

Wenn man herausfinden will, was eine Gruppe von Menschen denkt, macht, will etc., dann muss man fragen. Wir können aber aus praktischen Gründen unmöglich in allen Fällen alle Menschen, die uns interessieren befragen. Dazu reicht weder Zeit noch Geld. Also begnügt man sich damit, einen Teil dieser Leute zu befragen und von der Antwort dieser wenigen auf alle zu schließen. That’s it. Mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Genau und nur deswegen arbeitet man mit Stichproben. Nebenbei: das gilt natürlich nicht nur für Menschen, das gilt genauso in der Qualitätssicherung von Produkten, beim Testen von Prozessen, von Abläufen.

In der Rhetorik und in der Psychologie kennt man den Begriff „pars pro toto“ (Das Einzelne für das Ganze). Man sagt zum Beispiel: „Ein Dach über dem Kopf“ – natürlich meint man damit ein ganzes Haus. Fetischisten werden beispielsweise durch einen Damenstrumpf erregt – ein kleiner Teil ist also Sinnbild für das Ganze (funktioniert angeblich) und Ewig-Gestrige schließen von wenigen kriminellen Ausländern auf das Ganze, also auf alle und machen damit einen gewaltigen systematischen Fehler.

Verfahren zur Stichprobenbildung / Auswahlverfahren

Je nachdem, was wir herausfinden willen, wie groß die Grundgesamtheit ist und wie die Fragestellung lautet, gibt es unterschiedliche Verfahren, eine Stichprobe aus einer Grundgesamtheit auszuwählen (oder: zu ziehen). Grundsätzlich unterscheiden wir drei Verfahren:

  1. Zufallsauswahl (nennt sich auch Random Sample)
  2. Bewusste Auswahl (nennt sich auch Quota Sample)
  3. Willkürliche Auswahl (nennt sich Convenience Sample)

Die Schwierigkeiten liegen nun darin, erstens zu entscheiden, welches Auswahlverfahren das geeignete ist und zweitens auch darin, dass es von den Rahmenbedingungen abhängen kann, wie das Verfahren genannt wird – es gibt durchaus Überschneidungen und Unschärfen.

Die Zufallsauswahl / Random-Sample / Wahrscheinlichkeitsauswahl

Wie gesehen, ist eine Stichprobe zunächst nur einfach mal eine Teilmenge einer Grundgesamtheit. Bei einer Zufallsauswahl kommen nun noch zusätzliche Bedingungen dazu, damit es sich eben tatsächlich um ein Random-Sample handelt:

  1. Die Elemente der Stichprobe werden zufällig aus der Grundgesamtheit gezogen. Zufällig heißt: ohne jegliche Einschränkung, einfach so – quasi auf gut Glück.
  2. Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Element aus der Grundgesamtheit gezogen wird, muss angebbar sein. Der Einfachheit halber sagen wir: jedes Element muss die gleiche Wahrscheinlichkeit aufweisen, gezogen zu werden.

Die bewusste Auswahl / Quota-Sample

Um die Bedingungen an ein Quota-Sample zu erfüllen (man nennt das auch systematische Stichprobe), schränkt man die Grundgesamtheit ein, bzw. man greift auf bereits bekannte Kriterien zurück. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Gleichsetzung von „bewusster Auswahl“ mit „Quota“ nicht ganz korrekt ist – es gibt unterschiedliche bewusste Auswahlverfahren. Wer sich dafür interessiert kann das unter genau dem Schlagwort nachlesen: Bewusste Auswahlverfahren.

Der Einfachheit halber bleiben wir an dieser Stelle aber beim Quota-Sample, das so auch in den meisten Schulen gelehrt wird. Allerdings nicht immer ganz richtig, oder doch zumindest oft (zu)stark vereinfacht. Eindeutig ist, dass das Quota-Sample so definiert wird, dass seine Zusammensetzung der Zusammensetzung der Grundgesamtheit entspricht. Das Sample ist also quasi ein verkleinertes Abbild des Originals. Soweit so gut. Die Problematik fängt da an, wo zu bestimmen ist, WELCHES denn die relevanten Kriterien sind, nach denen das Quota-Sample bestimmt werden soll. Ein Beispiel:

Wir möchten herausfinden, wie viel Bier im Schnitt in der Schweiz pro Tag und Kopf (pars pro toto!) getrunken wird. Die Grundgesamtheit ist also die Schweiz bzw. alle Personen, die in der Schweiz wohnen. Eigentlich ganz einfach. So. Und nun beginnen wir mal mit Überlegungen und stellen uns folgende Fragen:

  1. Alle Personen? Im Alter von 0 bis tot? Oder ab 16? Und bis wie alt? 99? Sollen Männer und Frauen gleich gewichtet werden? Und wie ist es in der Westschweiz? Trinken die da nicht generell weniger Bier, dafür mehr Wein? Wir könnten hier eine Zufallsauswahl treffen, dann hätte jede und jeder Bewohner der Schweiz, unabhängig von allen Kriterien, die gleiche Chance, befragt zu werden – vom 3-monatigen Genfer Kleinkind, bis zum 89-jährigen Bewohner einer Seniorenresidenz in Wigoltingen, mitten im Weinberg! Nur: Sinnvoll ist das kaum.
  2. Ist unsere Grundgesamtheit sinnvoll? Wir kommen zum Schluss dass das nicht so ist. Die Grundgesamtheit muss eingeschränkt werden und nach sinnvollen Kriterien spezifiziert. Alter, Geschlecht, Wohnort, möglicherweise Beruf (Banker vs Bauarbeiter könnte beim Bierkonsum relevant sein) sind sinnvolle Kriterien. Unsinnig wäre es, nach Körpergröße oder Haarfarbe einzuschränken.

 

Nachdem wir nun sinnvoll eingegrenzt haben, können wir unsere Elemente der Stichprobe suchen (das sind dann ganz konkret Personen, die wir befragen wollen). Diese Stichprobe sollte sich in den genannten, relevanten Kriterien möglichst nicht von der Grundgesamtheit unterscheiden. Haben wir also bestimmt, dass die Grundgesamtheit aus 70% Männern und 30% Frauen bestehen soll, dann muss das für die Stichprobe auch gelten.

Die willkürliche Auswahl / Convenience-Sample

Diese Auswahlmethode wird oft etwas unter den Teppich gekehrt – „willkürlich“ klingt schon so wenig Vertrauens erweckend. Bei dieser Methode liegt es im Ermessen des Befragers, wen er befragt. Das hat natürlich Folgen: man kann nicht angeben, zu welcher Grundgesamtheit die Stichprobe gehört (Repräsentativität). Auf der anderen Seite gibt diese Art der Auswahl ziemlich schnell einen ersten Überblick über mögliche qualitative Aspekte einer Befragung.

Weil kaum jemand dieses Auswahlverfahren kennt: hier zwei Beispiele

  1. Ein Befrager geht um 11 Uhr in ein Einaufszentrum und befragt willkürlich (also je nach Lust und Laune) ein paar Leute zum Thema „Welche Produkte vermissen Sie in diesem Einkaufszentrum?“. Beim Ergebnis muss man sich bewusst sein, wer überhaupt befragt wurde: Menschen, die um 11 Uhr einkaufen gehen – also kaum Berufstätige, wahrscheinlich eher Frauen (Mütter, das klassische Rollenbild dürfte sich in dieser Situation durchaus als noch vorhanden erweisen), Senioren. Berufstätige Männer wären also untervertreten, Mütter übervertreten – und entsprechend lässt sich das Ergebnis auch nicht auf alle Kunden des Einkaufszentrums hochrechnen.
  2. Wir führen eine offene Online-Befragung durch. Die Umfrage erscheint auf einigen Webseiten. Jeder kann teilnehmen und auch selbst entscheiden, ob er teilnehmen will (so genannte Selbstselektion). Mit diesem Verfahren laufen wir Gefahr, Menschen, die permanent online sind zu übergewichten, ebenso Menschen, die sich ihre Informationen primär übers Netz beschaffen. Im Klartext: Wir wissen überhaupt nicht, wer an den Umfragen teilgenommen hat und warum.

Zum Thema Stichprobe gibt es noch einiges zu sagen: Stichprobenumfang beispielsweise. Folge dem link…

 

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