Vor ungefähr 6 Jahren kam dieser Begriff auf und hat sich seitdem in der Copyplattform festgesetzt wie eine Zecke im Schäferhund. Ist auch etwa genauso nützlich. Kaum jemand hat aber begriffen, was die psychologische Achse eigentlich soll – überhaupt ist der Begriff falsch, wenn schon, müsste nach der Art oder der Ausprägung der psychologischen Achse gefragt werden. Man fragt ja auch nicht „Autobahn“ wenn man wissen will, wo sich jemand grade befindet.
Aus all diesen Unklarheiten entstehen in Lehrbüchern Definitionen, die zwar nicht falsch sind, in den wenigsten Fällen aber hilfreich. „Auf welche besonderen psychologischen Kundenbedürfnisse ist die Botschaft ausgerichtet?“ oder „Die psychologische Achse forumuliert das hauptsächlich angesprochene Bedürfnis“ oder „Mit der psychologischen Achse werden Ängste der Zielgruppe berücksichtig, um mit geeigneten Argumenten Kaufbarrieren abzubauen.“
Da steh ich nun, ich armer Tor – und bin so klug als wie zuvor (J.W. von Goethe, Faust 1)
Wir machen also das, was man so tut, wenn man nicht weiss, was man machen soll – wir schauen erst Mal, was der Begriff eigentlich bedeutet und wo er herkommt – ich kann schon mal eines vorneweg nehmen: Mit Marketing hat das gar nichts zu tun. Wer auch immer auf diese Idee kam, in Ausbildungen diesen Begriff einzuführen hat echt nicht alle Ziegel aufm Dach.
Der Begriff der „Achsen“ stammt aus dem multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen, da gibt es 5 Achsen mit denen die individuellen Störungen oder Probleme von Menschen beschrieben werden können. Damit hat „unsere“ psychologische Achse nun gar nichts zu tun.
Grundsätzlich kann man in der Zielgruppen- und Kundensegmentierung folgende Merkmalstypen unterscheiden:
- Demografische Merkmale
- Soziografische Merkmale
- Regionale Merkmale
- Physische Merkmale
- Verhaltensmerkmale
- Psychografische Merkmale
Die psychografischen Merkmale sind: Werte, Glaubenssätze, Einstellungen, Lebensstil etc. – und daraus kann ich natürlich „Achsen“ bilden, indem ich – quasi wie in einer Positionierung – die beiden relevantesten Merkmale auf Achsen abbilde – mit sich entgegengesetzten Werten.
Ich habe dann also zum Beispiel eine Achse: konservativ – progressiv und eine Achse: altruistisch – hedonistisch. Ich kann jetzt meine Zielgruppe auf diesen beiden Achsen so abbilden, wie ich es bei einer Positionierung machen würde. Da ich es selten zeichnen muss, kann ich das natürlich auch beschreiben:
„Für unsere Zielgruppe sind die beiden Achsen „Werte“ (konservativ – progressiv) und „Einstellungen“ (altruistisch – hedonistisch) besonders wichtig. Unsere Zielgruppe befindet sich eher im Quadranten „konservativ/altruistisch“ und kann deshalb mit einer wertebestimmten Kommunikation sowie mit dem Hinweis auf einen gesellschaftlichen Nutzen psychologisch am effizientesten angesprochen werden.“