Fast in allen Lehrbüchern wird der laissez-faire-führungsstil missverstanden. Eine Tragödie! Im Allgemeinen verbindet man damit absolute Freiheit und ebensolches Desinteresse der Vorgesetzten gegenüber den Arbeitsweisen und den Handlungen der Mitarbeiter. Das ist natürlich vollkommener Quatsch – ein ordentlich verstandener und umgesetzter laissez-faire-Stil ist im Grunde genommen so ziemlich das Gegenteil davon.
Selbstständigkeit und Selbstverantwortung
Diese beiden Begriffe bezeichnen diesen sehr offenen Führungsstil wesentlich besser. Der Prozess läuft im Idealfall folgendermaßen ab:
- Es werden Ziele besprochen und bestimmt
- Es wird ein Zeitfenster für die Erreichung dieser Ziele festgelegt
- Es werden Kontrollpunkte und –kriterien festgelegt
- Der Mitarbeiter wird in Ruhe gelassen
- Nach Ablauf des Zeitfensters wird eine Erfolgskontrolle durchgeführt
- Dazwischen finden keine geplanten Eingriffe und Kontrollen statt (was aber nicht heißt, dass man sich über die Fortschritte und Probleme nicht austauschen kann oder soll).
- Bei Nichterreichung werden Korrekturen oder Konsequenzen besprochen und umgesetzt.
Eignung oder Vorteile des laissez-faire-Stils
Ich persönlich halte diesen Führungsstil für den besten – weil er mir am meisten entspricht. Grundsätzlich eignet er sich für Prozesse oder Projekte, die keine besondere Dringlichkeit haben – also für mittel oder langfristige Projekte (Beispiel: Aufbau und Umsetzung einer Kommunikations-Strategie) sowie für Mitarbeiter, die selbstständig, selbst motiviert und eigenverantwortlich arbeiten wollen und können und die bereit sind, für schlechte Arbeit auch die entsprechenden Konsequenzen zu tragen.
Vorgesetzte, die den laissez-faire-Führungsstil pflegen, müssen sich an folgenden Ratschlag halten: „Get the right people, get them the tools and get out of their way“.
Mitarbeiter sollen sich an folgendes Motto halten: „It’s better to beg for forgiveness, than for permission.“
Nachteile oder fehlende Eignung
Für kurzfristige Projekte, für Projekte bei denen viele Teams zusammenarbeiten müssen und in Krisensituationen ist dieser Stil nicht geeignet. Das liegt vor allem daran, dass Zwischenschritte nicht ordentlich abgefragt und kontrolliert werden können, weil sie eben nicht definiert wurden.
Ein Beispiel
Unser Unternehmen muss/will oder soll sich neu positionieren. Gemeinsam beschließen Geschäftsführung und die Kommunikationsleitung die genaue Formulierung dieser Positionierung. Erste sicht- und messbare Ergebnisse werden in 6 Monaten erwartet – die Ziele werden entsprechend formuliert (z.B. Ranking, Einstellungsveränderung bei Zielgruppen etc.). Von diesem Punkt an, ist der Kommunikationsleiter auf sich alleine gestellt: Er bestimmt Massnahmen, Budget (im Rahmen des Möglichen), Ressourceneinsatz (ebenfalls im Rahmen des Möglichen), Teilschritte, Kontrollmaßnahmen etc. selbstständig. Nach 6 Monaten taucht der Kommunikationsleiter dann wieder auf und präsentiert die Ergebnisse. Dazwischen: Funkstille wenn gewünscht – keine Einmischung, keine Zwischenkontrollen, kein „haben Sie daran auch gedacht“ und vor allem kein „kann ich schon mal sehen, was Sie bis jetzt gemacht haben“.
Direktiv vs. Demokratisch vs. Laissez-Faire
Die beiden Oberbegriffe der Führungsstile – in ihren Extremen sehr selten und in den meisten Fällen auch nicht sehr erfolgreich (wie übrigens alles Extreme – wer’s nicht glaubt: Gauß’sche Glockenkurve ansehen: Extreme sind immer irgendwie „komisch“).
Direktiver Führungsstil
Darunter versteht man einen Führungsstil, der primär auf Anweisungen basiert – „jemand“, also der Chef, sagt „jemandem“, also dem Untergebenen, was er wie, wo, wann, womit und wie zu tun hat. Fällt Ihnen was auf? Genau! Das „warum“ fehlt – das hat den Untergebenen nicht zu interessieren. Er kriegt eine Direktive (= Anweisung) und hat das gefälligst auszuführen. Und zwar, weil der Chef es besser weiß. Punkt.
Natürlich gibt es unterschiedlich starke Ausprägungen des direktiven Führungsstils und es gibt Situationen, in denen ein rein direktiver Führungsstil zwingend notwendig ist (dann allerdings ist es ja schon wieder ein situativer Führungsstil…): In Krisensituationen eignen sich klare Anweisungen meistens besser, um gefährliche Situationen zu entschärfen (Evakuierung: machen, nicht diskutieren)
Direktive oder vorwiegend direktive Führungsstile (auch: autoritäre Führungsstile genannte)
Autokratischer Führungsstil
Ist selten geworden (in Unternehmen sowieso, Überbleibsel dieses Führungsstils finden wir in der Politik – in Nordkorea zum Beispiel). Der Führende hat die uneingeschränkte Macht und Kompetenz für seine Handlungen. Er ist keinem Rechenschaft schuldig, er ist nicht dazu verpflichtet, eine gewisse Konsequenz in seinen Entscheidungen einzuhalten und er fällt alle Entscheidungen alleine – und zwar unabhängig davon, ob sie sinnvoll sind oder nicht. Vergessen Sie diesen Führungsstil… er bringt langfristig wenig bis gar nichts.
Diktatorischer Führungsstil
Sehr nahe am autokratischen und deshalb werden die beiden Begriffe auch oftmals synonym verwendet. Tatsächlich sind die Unterschiede marginal und damit vernachlässigbar – insbesondere, weil auch dieser Führungsstil in der Praxis meistens untauglich ist. Der Unterschied: im diktatorischen Führungsstil fallen die Entscheidungen und Anweisungen ausschließlich durch die Führungsperson, die Entscheidungsgrundlagen werden ihr aber von verschiedener Stelle zugetragen und haben einen gewissen Einfluss auf die Art der Entscheidung. Theoretisch wäre als eine diktatorische Führung per se nicht schlecht: Eine Gruppe von (klugen) Menschen sammelt Fakten, bereitet sie auf, schlägt Entscheidungen vor – und eine Person verkündet dann, wie es läuft. Das Problem liegt im Diktator selbst – er neigt dazu, ein Autokrat zu werden und dann ist alles wieder kacke!
Patriarchalischer Führungsstil
Eigentlich ein diktatorischer Stil – einfach in nett. Der „Patron“ hat die alleinige Machtfülle, er bezieht seine Akzeptanz aber zudem aus seinem Status und seiner Persönlichkeit, seinem Charisma. Zudem zeichnet sich dieser Führungsstil durch ein gewisses Wohlwollen aus (nennen wir es: Fürsorge oder Güte gegenüber den Angestellten). Der patriarchalische Führungsstil ist streng genommen gar keiner, sondern lediglich eine (positive) Ausprägung des diktatorschen Führungsstils – der „nette“ Diktator, sozusagen.
Destruktiver Führungsstil
Er sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt – ist Mist! Kennt man eigentlich auch nicht mehr. Dabei ist „Angst“ das Leitinstrument der Führung und Abhängigkeit das Ziel. Stichworte, damit man sich darunter was vorstellen kann: Sklavenhaltung, schlechte Hundeerziehung, und ganz mies verlaufende Partnerschaften… alles klar? Wollen wir nicht. Brauchen wir nicht.
Informierender Führungsstil
Eigentlich auch sehr direktiv – einfach mit dem Unterschied, dass die Entscheidungen begründet werden. Die Führungsperson entscheidet nach wie vor selbst, versucht aber durch Information und Begründung einen Konsens zu erreichen, damit klar wird, warum und wie die Entscheidung gefallen ist. Das sorgt im Allgemeinen für mehr Akzeptanz und entsprechend weniger internen Widerstand.
Beratender Führungsstil
Noch eine kleine Stufe mehr in Richtung „Demokratie“
Auch hier werden die Entscheidungen „alleine“ gefällt – sie werden aber zur Diskussion gestellt. Die Entscheidungen sind sozusagen die Basis für den nächsten Schritt, sie können entsprechend angepasst oder verändert werden. Meistens ändert sich an der Grundausrichtung der ersten Entscheidung dadurch nichts, die „Feinheiten“ werden aber flexibel gehandhabt. Klassisches Beispiel: „Wir wollen 100% mehr Absatz im nächsten Jahr!“ – Resultat: Wir wollen immer noch mehr Absatz, aber nur 70%, weil die Produktion belegen kann, dass 100% gar nicht möglich sind – klar soweit?