Der Handel ist beim indirekten Vertrieb die Verbindungsstelle zwischen dem Hersteller und dem Abnehmer eines Produktes oder einer Dienstleistung – diese Verbindungsstelle kann einmal (einstufiger indirekter Vertrieb) oder öfter vorkommen (mehrstufiger indirekter Vertrieb). In beiden Fällen übernimmt der Handel einige Funktionen, die weder der Hersteller noch der Abnehmer übernehmen woollen und können – für diese Leistungen bekommt der Handel Geld (Handelsmarge) und wird so zu einem Glied in der Wertschöpfungskette vom Hersteller zum Kunden.
Verschiedene Modelle
Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass es die EINE, richtige Definition der Handelsfunktionen nicht gibt – also gilt wie für viele Marketing-Begriffe: Man muss halt verstehen, was der Handel für Funktionen hat, man muss nachdenken, verschiedene Modelle betrachten und dann diejenige für sich verwenden, die Sinn ergibt und in eine Fragestellung past. Schulungsunterlagen Machen es sich hier zwangsläufig etwas leichter: Da wird ein Modell präsentiert, und das ist es dann. KISS heißt dann allerdings in diesem Fall nicht keep it short and simple, sondern keep it short and stupid.
Seyffert – das Standardmodell
Seyffert hat 1972 die Handelsfunktionen in drei grundlegende Bereiche gegliedert:
- Überbrückungfunktionen
- Warenfunktionen
- Maklerfunktionen
Überbrückungsfunktionen
Raumüberbrückung – der Handel übernimmt die physische Überbrückung zwischen dem Produktionsort und dem Verkaufspunkt. Der Konsument muss also nicht beim Produzenten (oder alternative dem Importeur oder ähnlichem) einkaufen, er kann das beim Handel erledigen.
Zeitüberbrückung – hier übernimmt der Handel die Lagerung, der Konsument kann nach Bedarf einkaufen, er muss sich selber nicht bevorraten (oder nur in geringem Maße) und spart damit Kosten, Platz und natürlich vermindert sich auch das Risiko des Warenverderbs (insbesondere bei Lebensmitteln). Der Handel überbrückt also die Zeit zwischen Herstellung und Abverkauf.
Vordisposition – damit ist die zeitliche Überbrückung gegenüber dem Lieferanten gemeint. Der Handel plant einigermaßen regelmäßige Abnahmemengen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Das erleichtert dem Lieferanten die Bereitstellung der Ware, erhöht die Planbarkeit und senkt damit (zumindest etwas) Kosten und Risken.
Preisausgleichsfunktion – Der Konsument erwartet im Handel mehr oder minder stabile Preise. Bei Produkten, die eine hohe preisliche Voaltilität aufweisen (zum Beispiel Weizen, Orangensaft und ähnliches – wir sprechen hier NICHT vom Detailhandel) übernimmt der Handel teilweise eine abfedernde Funktion. Die Handelspreise wechseln nicht so schnell wie an den Warenbörsen, was eine gewisse preisliche Verlässlichkeit bewirkt.
Kreditfunktion – Der Handel gewährt seinen Kunden Kredit (Bezahlung auf Rechnung) und erleichtert so den Abverkauf – das gilt selbstredend nicht für jeden Handel und für den Einzelhandel nur ins besonderen Fällen, aber beim Großhandel ist der Kreditkauf ein alltägliches Vorgehen.
Warenfunktionen
Quantitätsfunktion – der Handel kauft große Mengen ein, und verkauft kleine Mengen weiter. Dies erleichtert einerseits dem Lieferanten die Planung und erhöht die Wirtschaftlichkeit, andererseits profitiert der Kunde insofern davon, als er keine eigene Lagerhaltung haben muss. Siehe oben.
Qualitätsfunktion – Der Handel hat in den meisten Fällen ein eigenes Qualitätsmanagement, er prüft erhaltene Ware, sortiert schlechte aus, retourniert sie oder vernichtet sie (z.B. bei Lebensmitteln). Somit erhält der Kunde tendenziell im Handel qualitative höherwertige Waren (oder zumindest Ware in immer gleicher Qualität) als wenn er direkt beim Hersteller beziehen würde. Auch hier gilt: das ist von Produkt zu Produkt unterschiedlich.
Sortimentsfunktion – der Handel passt sein Sortiment den Bedürfnissen des Kunden an. Dieser hat somit den Vorteil, dass er zur Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht von Pontius zu Pilatus rennen muss, sondern ein umfassendes Sortiment an wenigen Orten findet. Dazu gehören insbesondere die Bereitstellung von Komplementärprodukten.
Maklerfunktion
Markterschließugs-Funktion – der Handel ist dafür verantwortlich, den Markt in seinem Umfeld möglichst optimal zu bedienen. Der Handel sucht Abnehmer, sucht und definiert locale Märkte und bearbeitet sie entsprechend – diese Funktion wird oft auch als Werbefunktion des Handels bezeichnet.
Interessenfunktion – der Handel steht in der Mitte zwischen LIeferant und Abnehmer. Somit hat er eine gewisse Ombudsfunktion, er muss berechtigte Interessen des Abnehmers gegenüber dem Lieferanten vertreten, aber auch umgekehrt.
Andere Modelle
Buddeberg nennt acht Funktionen
- Kontaktfunktion
- Informationsfunktion
- Beratungsfunktion
- Warenumgruppierungsfunktion
- Mengenumgruppierungsfunktion
- Raumausgleichsfunktion
- Zeitausgelichsfunktion
- Veredelungsfunktion
Man sieht: andere Begriffe, ähnlicher Inhalt.
Das Modell Oberparieiter
- Räumliche Funktion
- Zeitliche Funktion
- Quantitätsfunktion
- Qualitätsfunktion
- Kreditfunktion
- Werbefunktion
Auch hier: plus minus das Gleiche, einfach in anderer Form