Der Begriff „biotisch“ in der Marktforschung hat mit dem eigentlichen Begriff biotisch überhaupt nichts zu tun. Als biotisch bezeichnen wir Vorgänge und Zustände, an denen Lebewesen beteiligt sind – und das würde ja für alle Bereiche der Marktforschung zutreffen. Am ehesten noch wäre der Begriff mit „biotische Umweltfaktoren“ zu umschreiben, als Faktoren bzw. Situationen also, die von Lebewesen verursacht oder zumindest beeinflusst werden. Aber das nur am Rande.
In der Marktforschung bezeichnen wir mit dem Begriff biotisch den Bewusstseinsgrad des Beobachteten: wer nicht weiß, dass er beobachtet wird und demzufolge auch nicht weiß, weswegen er beobachtet wird, der befindet sich in einer biotischen Situation.
Die Begriffe
In Schulungsunterlagen und teilweise auch in der Marktforschungs-Literatur wird oft von drei unterschiedlichen „biotischen Stufen“ gesprochen: biotisch, semi-biotisch, nicht-biotisch. Diese Begriffe sind nicht ganz korrekt – weil eben „nicht-biotisch“ nicht biotisch wäre… ach, was soll’s. Ein linguistisches Problem. Ganz korrekt wären folgende Bezeichnungen
- Biotische (oder besser: Voll-Biotische) Situation
- Quasi-Biotische Situation
- Nicht durchschaubare Situation
- Offene Situation
Diese Aufteilung stammt unter anderem von Dirk Lippold, Gastprofessor an der Humbold-Universität zu Berlin und Dozent an verschiedenen privaten Hochschulen.
Voll-Biotische Situation
Wie schon erwähnt: Das „Opfer“, sprich die beobachtete Person weiß gar nichts, nicht, dass er an einem Versuch teilnimmt, noch kennt er den Zweck des Versuchs und auch nicht die Aufgabe, die an ihn gestellt wird. Diese Situation ist aus Marktforschungssicht natürlich ideal, blöderweise lässt sie sich in der Praxis nur äußerst selten realisieren. Zu voll-biotischen Situationen gehören demzufolge reine Feldbeobachtungen.
Sie fragen sich gerade, warum voll-biotische Situationen nicht so einfach herbeizuführen sind? Weil oftmals eine Verhaltensbeobachtung schlicht nicht möglich ist – blödes Beispiel: Zahnpasta. Wie wollen Sie vollkommen unbemerkt beobachten, wie jemand die Zahnpasta verwendet? Wie sie ihm „schmeckt“, wie viel er benutzt etc.? Geht nicht – ist bei Joghurt genau so, und bei 95% der übrigen Produkte auch. Lediglich Teilbereiche der Verwendung können voll-biotisch beobachtet werden. Ob eine voll-biotische Situation also möglich ist, hängt entscheidend von der Fragestellung, sprich: vom Untersuchungs-Umfang ab.
(wird weiter ergänzt)