Noch so ein Begriff, der unterschiedliche Unterbegriffe hat. Eigentlich ist auch der Begriff „Preiselastizität“ nicht ganz korrekt, denn es geht dabei nicht darum, zu beschreiben, wann der Preis elastisch ist, sondern was mit der Nachfrage passiert, wenn der Preis sich ändert – die Ursache ist also der Preis (Ursache – Wirkung? Klingelt da was? Kausalität und Korrelation).
Also: Wir haben zwei mögliche Sichtweisen:
- Was passiert mit dem Preis, wenn die Nachfrage sich ändert (Elastizität des Preises)
- Was passiert mit dem Angebot, wenn der Preis sich ändert (Elastizität der Nachfrage)
Wer jetzt gleich weiterklicken will, weil ja sowieso die Nachfrage den Preis regelt (Angebot- und Nachfrage – das zentrale Element der allgemeinen Gleichgewichtstheorie und wesentlichster Glaubenssatz aller neo-klassischen Wirtschaftswissenschaftlern), der kann das tun, es entgehen ihm aber einige durchaus interessante Aspekte der Preis- und Nachfragebildung.
Grundsätzliche Möglichkeiten
Gehen wir modellmässig vor und sehen uns erst mal an, welche grundsätzlichen Möglichkeiten es überhaupt gibt:
- Vollkommen elastisch
- Sehr elastisch
- Proportional elastisch
- Unelastisch
- Vollkommen unelastisch
- Anormal elastisch
- Iso-elastisch
Das wärs, gar nicht mal so einfach.
Jetzt zu jedem eine kleine und kurze (und deshalb wirtschaftswissenschaftlich auch nicht bis ins letzte haltbare) Definition und ein Beispiel – um das Ganze ein wenig zu „visualisieren“.
Vollkommen unelastisch
Nicht nur vollkommen unelastisch, auch vollkommen unrealistisch. Das ist ein rein theoretisches Modell und kommt in der Wirtschaft nicht vor. Vollkommen unelastisch bedeutet, dass bereits eine minimalste Änderung des Preises eine fast unendlich grosse Veränderung der Nachfrage bewirken würde. Ihr könnt euch das nicht vorstellen? Ich sag ja, rein theoretisch…
Also: Ein 20r-Nötli kostet genau 20 Franken. Die Nachfrage ist quasi beliebig gross, weil jeder, der 20 Franken braucht, sich genau zu diesem Wert eine solche Banknote kaufen kann. Würde die 20er-Note jetzt nicht 20 Franken, sondern 20,05 Franken kosten (also die kleinstmögliche Veränderung erfahren, die in unserem Münszsystem möglich ist), würde die Nachfrage nach dieser Banknote sofort auf Null fallen (ist ja keiner so blöd…), würde die Banknote hingegen 19,95 Franken kosten, würde die Nachfrage sofort ins praktisch unendliche explodieren. Weil – ja, klar, logisch, oder?
Sehr elastisch
Wenn eine Preisänderung eine überproportionales Mengenänderung (sprich: Nachfrageveränderung) nach sich zieht, dann spricht man von einer sehr elastischen oder eben überproportionalen Preiselastizität (oder einer überproportionalen Elastizität der Nachfrage – richtigerweise). Diese Elastizität ist vor allem bei sehr leicht oder einfach zu substituierenden Produkten zu beobachten – bei low-interest-Produkten oder bei „Grundprodukten“.
Nehmen wir als Beispiel Zucker – einfach nur ganz normalen Zucker. Wenn ein Anbieter den Preis senkt, wechseln sehr viele Kunden vom bisherigen Anbieter zum neuen. Einfach deshalb, weil der Preis das einzige Unterscheidungsmerkmal des Produktes ist. Entsprechend ist der Preis auch das entscheidende Kaufkriterium.
Proportional elastisch
Auch das eine theoretische Grösse, die bedeutet: Verändert sich der Preis um x%, so verändert sich auch die Nachfrage um x% – kommt so gut wie nie vor. Das würde bedeuten, dass eine 10%ige Preiserhöhung bei Zigaretten den Absatz um genau diese 10% senken würde. Wir wissen, dass das nicht so ist.
Unelastisch
Das ist faktisch in der Praxis der häufigste Fall – ein Produkt verändert den Preis um einen bestimmten %-Wert, die Veränderung in der Nachfrage hinkt diesem %-Wert aber hinterher. Das ist insofern einfach zu verstehen, als eben mehr Faktoren für die Kaufentscheidung eine Rolle spielen als nur der Preis – wir sind ja im Marketing: Alle drei übrigen P’s haben ihren Anteil daran, den Absatz auch bei sich verändernden Preisen möglichst stabil zu halten. Stichwort: Image!
Vollkommen unelastisch
In diesem sehr seltenen Fall folgt auf eine beliebige Preisänderung keine Nachfrageveränderung. Der Fall kommt deshalb selten vor, weil er eigentlich nur dann eintreten kann, wenn das Produkt zwingend gekauft werden muss – also zum Beispiel bei lebenswichtigen Medikamenten (ob ein Krebsmittel nun 10 oder 100 Franken kostet wird den Absatz nicht beeinflussen – Achtung! Noch nicht gleich aufschreien, auf die Marktsituation und den Zusammenhang zwischen Preiselastizität und Marktkapazität kommen wir noch).
Anormal elastisch
Grundsätzlich geht man bei der Preiselastizität immer davon aus, dass sich die Preis- und Nachfragekurven entgegengesetzt verhalten: Dass also ein höherer Preis automatisch eine geringere Nachfrage induziert. Das ist in 99% der Fälle auch so – aber eben nicht in allen. Tatsächlich gibt es Situationen, in denen die Nachfrage mit zunehmendem Preis ebenfalls steigt.
Es gibt drei unterschiedliche Situationen für eine anormal elastische Nachfrage
- Luxusgüter und die damit verbundene Verknappung (Snob-Güter): Je höher der Preis für eine Hermès-Handtasche steigt, um so grösser wird die Begehrlichkeit, sprich die Nachfrage. Die steigende Nachfrage wiederum führt zu weiter steigenden Preisen auf dem (Grau-, Schwarz- oder Gebrauchtmarkt), was wiederum die Nachfrage antreibt.
- Hamsterkäufe: Vermittelt eine Preissteigerung den Eindruck einer bevorstehenden Verknappung, kommt es zu einem erhöhten Nachfragebedarf – Hamsterkäufe halt. Besonders bekannt ist dieses Phänomen bei notwendigen Produkten des alltäglichen Bedarfs: Brot, Butter, Treibstoff (Inflation? Na? Klingelts?
- Wenn der steigende Preis eines Produktes einen zusätzlichen Wert verspricht – klingt etwas unlogisch, wenn man sich aber den Aktienmarkt ansieht, dann wird klar, was damit gemeint ist: Steigen die Aktienpreise wird gleich auch einen Kaufempfehlung mitgeliefert und zack! Steigt die Nachfrage. Verstärkt wird dieser Trend noch durch den Aktienhändler-Spruch: Never catch a falling knife.
Iso-elastisch
Die iso-Elastizität ist zwar ähnlich aber nicht gleich wie die proportionale Elastizität. Während nämlich bei der zweiten die Elastizität sich einfach verändert (um ähnliche oder gleiche Prozentsätze), so zeichnet sich die Iso-Elastizität dadurch aus, dass in Summe der Umsatz konstant bleibt.
Alles Theorie
Die Modelle sind allesamt als Theorien zu verstehen und selbstverständlich sind sie keinesfalls immer in Reinkultur anzutreffen und ebenfalls nicht in „geraden Linien“ – ein Produkt kann natürlich verschiedene Phasen der Elastizität der Nachfrage durchlaufen. Als Beispiel nehmen wir mal – egal was – sagen wir: Zigaretten. Es geht um Preiserhöhungen, ist klar.
- Phase: der Zigarettenpreis steigt von 8CHF/Päckli auf 8.40. Das ist eine Preissteigerung von 5%. Was haben wir (höchstwahrscheinlich): eine vollkommen unelastische Nachfrage – es werden nach wie vor genau gleich viele Zigaretten gekauft wie vorher – vielleicht, aber nur vielleicht ist die Nachfrage noch unelastisch.
- Phase: Der Preis steigt auf 9 Franken pro Päckli – also nochmals um 7%. Jetzt wird sich die Nachfrage wohl unelastisch verändern – es werden weniger Zigaretten gekauft, aber nicht 7% weniger, sondern vielleicht 5%
- Phase: Der Preis steigt auf 12 Franken – jetzt haben die Raucher die Schnauze voll. Ein Aufschlag um 33% – jetzt hören all die auf zu rauchen, die es sowieso schon immer wollten. 1/3 – also: eine proportional elastische Nachfrage
- Phase: Der Preis steigt auf 15 Franken – wir haben eine sehr elastische Nachfrage. Eine nochmalige Preissteigerung um 25% haut dem letzten Raucher den Nuggi raus. Jetzt hört nochmals ein Drittel der übrig gebliebenen Raucher auf zu qualmen. Eben: überproportional viel.
- Phase: Der Preis steigt auf 20 Franken – nichts passiert. Diejenigen die bei 15 Franken noch geraucht haben, machen das auch bei 20 noch. Vollkommen unelastische Nachfrage
Bitte! Das ist ein Beispiel! Es soll nur zeigen, dass es nicht Version 1, 2 oder 3 gibt, sondern dass auch die Elastizität der Nachfrage einer Veränderung unterworfen ist.
Elastizität und Marktkennziffern
So, und jetzt bitte mal selber mittdenken: In welcher Beziehung stehen die Begriffe „Marktkapazität“, „Marktpotenzial“, „Marktvolumen“ und „Marktanteil“ zu den Verschiedenen Elastizitätsarten?
Marktpotenzial: vollkommen unelastisch -> weil: der Preis spielt keine Rolle bzw. jeder Preis ist bezahlbar, entsprechend findet keine Elastizität statt.
Markpotenzial: elastische Nachfrage, welche ist nicht bestimmbar. Das Marktpotenzial ist die maximale Produkt-Aufnahmefähigkeit zu einem bestimmten Preis. Sinkt also der Preis, steigt die Aufnahmefähigkeit – vermutlich proprotional.
Marktvolumen: unelastisch Nachfrage – das Produkt ist in der Menge X im Markt abgesetzt, höchst wahrscheinlich könnten zu einem tieferen Preis mehr Produkte abgesetzt werden. Wahrscheinlich eine unelastische Nachfrageveränderung, sprich: proportional kleiner als die Preisveränderung (Grund: Konkurrenz)
Marktanteil: entweder proportional elastisch oder unelastisch – abhängig vom Produkt und der Konkurrenz.
Herzlichen Dank für den Ihren Artikel! Lesenswert Tipp.